Gabriels Abschiedsbrief

 

Stuermer, Gabriel, Thompson, Rutherford, Collins, Banks: Six Of The Best, Milton Keynes Concert Bowl, 02.10.1982 

 

Folgend ist Peter Gabriels Abschiedsbrief an die Presse aus dem Jahr 1975 "abgedruckt", in der er seine Trennung von Genesis erläutert.

Weiter unten schließt eine Übersetzung an. 

Es ist eine kombinierte Schrift aus zwei Quellen:

1. Hervé Picart; "La part du Je" und

2. Genesis Archive Vol.I Booklet, page 68-71 (1996)

Der Artikel aus dem Archive I -Booklet weist einige leichte Abänderungen auf, die Gabriels Privatleben ausklammern und in den Passagen, die sein Verhältnis zur Band berühren nicht ändernd, aber nun unmissverständlicher respektvoll beschreiben.

Der letzte Abschnitt des Textes ist im Archive-Booklet in beiden Versionen abgedruckt und erscheint hier deshalb doppelt.

(Text) weißer Text in weißen Klammern ist nur in der Version von 1975 enthalten

(Text) blauer Text in blauen Klammern ist nur in der Version von 1996 enthalten

(I had a dream, eye's dream. Then I had another dream with the body and soul of a rock star. When it didn't feel good I packed it in. Looking back for the musical and non-musical reasons, this is what I came up with:

OUT, ANGELS OUT - an investigation.)

(Looking back for the reason on why I packed in, this is what I came up with...)

The vehicle we had built as a co-op to serve our song writing became our master and had cooped us up inside the success we had wanted. It affected the attitudes and the spirit of the whole band. The music had not dried up and I still respect the other musicians, but our roles had set in hard. To get an idea through ("Genesis the Big") meant shifting a lot more concrete than before. For any band, transferring the heart from idealistic enthusiasm to professionalism is a difficult operation.

I believe the use of sound and visual images can be developed to do much more than we have done. But on a large scale t needs one clear and coherent direction, (which our pseudo-democratic committee system could not provide.)

As an artist, I need to absorb a wide variety of experiences. (It is difficult to respond to intuition and impulse within the long-term planning that the band needed.) I (felt) (feel) I should look at/learn about/develop (myself, my creative bits and pieces) and pick up on a lot of work going on outside music. (Even the hidden delights of vegetable growing and community living are beginning to reveal their secrets. I could not expect the band to tie in their schedules with my bondage to cabbages.) (It´s difficult to respond to intuition and an impulse and yet work within long-term planning of the band´s career.) The increase in money and power, if I had stayed, would have anchored me to the spotlights. It was important to me to give space to my family, which I wanted to hold together, (and to liberate the daddy in me.)

Although I have seen and learnt a great deal in the last seven years, (I found I had begun to look at things as the famous Gabriel, despite hiding my occupation whenever possible, hitching lifts, etc.) (I found I began looking through ´rock star´eyes.) I had begun to think in business terms; very useful for an often bitten once shy musician, but treating records and audiences as money was taking me away from them. When performing, there were less shivers up and down the spine.

I believe the world has soon to go through a difficult period of changes. I'm excited by some of the areas coming through to the surface which seem to have been hidden away in people's minds. I want to explore and be prepared to be open and flexible enough to respond, not tied in to the old hierarchy.

(Much of my psyche's ambitions as "Gabriel archetypal rock star" have been fulfilled - a lot of the ego-gratification and the need to attract young ladies, perhaps the result of frequent rejection as "Gabriel acne-struck public school boy". However, I can still get off playing the star game once in a while.)

My future within music, if it exists, will be in as many situations as possible. It's good to see a growing number of artists breaking down the pigeonholes. This is the difference between the profitable, compartmentalized, battery chicken and the free-range. (Why did the chicken cross the road anyway?)

There is no animosity between myself and the band or management. The decision had been made some time ago and we have talked about our new direction. The reason why my leaving was not announced earlier was because I had been asked to delay until they had found a replacement to plug up the hole. (It is not impossible that some of them might work with me on other projects.) (It is not out of the question that we might collaborate in the future.

There have been all sorts of rumours, some more fanciful than others, about why I have left. I don´t feel I express myself in interviews, so I wanted to communicate directly to the people who put a lot of love and energy in supporting the band, which is why I have put pen to paper.)

The following guesswork has little in common with truth:

Gabriel left Genesis:


1) To work in theatre.
2) To make more money as a solo artist.
3) To do a "Bowie".
4) To do a "Ferry".
5) To do a "Furry Boa round my neck and hang myself with it".
6) To go see an institution.
7) To go senile in the sticks.

I do not express myself adequately in interviews and I felt I owed it to the people who have put a lot of love and energy supporting the band to give an accurate picture of my reasons. So I ask that you print all or none of this.

Peter Gabriel - May 1975

 

 

Peter Gabriel, Phil Collins, ca. 1977 

 


Hier folgt die Übersetzung aus: Dave Bowler/ Bryan Dray: Genesis - die Biografie (1992), sehr frei und dennoch sinngerecht den 1975er Text wiedergebend:

Ich hatte einen Traum, einen visuellen Traum. Dann hatte ich einen zweiten Traum, als Rockstar, mit Leib und Seele. Als daraus Alpträume werden wollten, hörte ich auf zu träumen. Und ich frage mich jetzt, wo liegen die Gründe: die musikalischen und die, die mit der Musik nichts zu tun haben. Hier ist die Antwort.

FORT, IHR ENGEL - eine Spurensuche.

Das Gebäude, das wir uns gemeinsam für unser Songschreiben bauten, wurde unser Herr und Meister. Der Erfolg, den wir uns gewünscht hatten, wurde zum Gefängnis. Er begann den Standpunkt und den Geist der ganzen Band zu beherrschen. Nicht, dass die Musik darunter gelitten hätte. Ich respektiere die anderen nach wie vor als Musiker. Aber unsere Rollen hatten sich verselbstständigt. In dieser großen Band Genesis noch eine Idee zu verwirklichen, bedeutet Knochenarbeit. Die allmähliche Wandlung von der idealistischen Begeisterung zum harten Professionalismus ist für jede Band ein sehr schwieriges Unterfangen.

In der Verbindung von Klang und Bild liegen noch viel mehr Möglichkeiten, als wir bisher gesehen haben. Aber in diesen großen Dimensionen, ist dafür eine sehr klare und straffe Führung notwendig, die unsere pseudo-demokratische Gruppenstruktur nicht leisten konnte.

Als kreativer Mensch brauche ich breite Entfaltungsmöglichkeiten. Aber wenn man in der Routine einer langfristigen Terminplanung steckt, die eine große Band braucht, leiden darunter Intuition und neue Impulse. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich betrachten/ kennen lernen/ weiterentwickeln müsse und nicht nur mich sondern auch meine kreativen Fähigkeiten. Und das nicht nur in der Musik - auf allen anderen Gebieten ebenso. Dazu gehören so verborgene Freuden wie das Anbauen von Gemüse oder eine Lebensgemeinschaft. Ich konnte nicht erwarten, dass meine Kollegen in der Band sich meiner Beschäftigung mit Kohlköpfen anschlössen. Die Zunahme von Geld und Macht, wenn ich geblieben wäre, hätte mich im Rampenlicht festgenagelt. Für mich war es wichtiger, dass ich meiner Familie mehr Zeit einräumte an deren Zusammenhalt mir lag und in der ich Vater sein wollte.

Obwohl ich in diesen vergangenen sieben Jahren viel gesehen und gelernt habe, merkte ich doch, wie der berühmte Peter Gabriel auch mich selbst zu faszinieren begann, auch wenn ich mich bemühte meinen Status mir selbst gegenüber herunter zu spielen, wo immer es nur möglich war, indem ich mich etwa als Anhalter mitnehmen ließ und dergleichen.

Aber ich hatte begonnen in Business-Kategorien zu denken. Das mag nützlich sein für einen oft kritisierten und früher schüchternen Musiker. Aber wenn man hinter seinem Publikum und dem Einspielen von Schallplatten nur noch das Geld sieht, entfremdet einem dies von beidem. Anders ausgedrückt, mit der Zeit rieselte mir kein Schauer mehr über den Rücken, wenn ich auf die Bühne ging.

Ich glaube, die Welt geht demnächst durch eine schwierige Periode von Veränderungen. Das fasziniert mich, wo es zuweilen an der Oberfläche sichtbar wird, während die Öffentlichkeit gar keine Notiz davon nimmt. Ich möchte vorbereitet sein, ich will offen und flexibel genug bleiben, um darauf reagieren zu können und ich möchte nicht in alten, überkommenen Hierarchien festsitzen.

Vieles von meinem inneren Ehrgeiz als „Gabriel, das Bild von einem Rock-Star" ist befriedigt worden. Mein Ego wurde befriedigt. Ich habe die Aufmerksamkeit einer Menge junger Damen auf mich gezogen, eine Entschädigung für jene Zeit, als ich Gabriel, der Schuljunge mit den Aknepickeln war, der zurück gewiesen und abgelehnt wurde. Aber ich bin noch imstande die Rolle des Stars wieder abzulegen.

Meine Zukunft in der Musik, falls es sie gibt, soll so verschiedenartig sein, wie es nur geht. Ich sehe mit Genugtuung, dass es eine Menge junger Musiker gibt, die sich durchzusetzen beginnen. Das ist der Unterschied zwischen den Gewinn orientierten Batteriehühnern und den freilaufenden Küken. Warum haben die Hühner sich überhaupt in den Käfig begeben?

Es gibt keine Feindschaft zwischen mir und der Gruppe oder deren Management. Die Entscheidung ist schon vor einiger Zeit gefallen, und wir haben über unsere künftigen Wege gesprochen. Der Grund, warum mein Ausscheiden nicht früher bekannt gemacht wurde, ist einfach der, dass man mich darum gebeten hat, so lange zu warten, bis ein Nachfolger für mich gefunden sei. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass der eine oder andere der Band bei anderen Projekten wieder mit mir zusammenarbeiten wird.

Die folgenden Vermutungen jedenfalls haben nichts mit der Wahrheit zu tun:

Gabriel scheidet bei Genesis aus, weil er...

1. zum Theater geht
2. als Solo-Musiker mehr Geld machen will,
3. der Band den „Todesstoß" versetzen will, (Originalgetreu: den „Bowie" mimen will; Anmek. UK)
4. irgendwohin „überlaufen" will, (Originalgetreu: den „Ferry" mimen will; Anmerk. UK)
5. sich an seiner eigenen Ruhmschlinge aufhängen will,
6. in eine Nervenheilanstalt gehen will,
7. sich auf´s senile Altenteil zurückziehen will.

Es gelingt mir oft nicht, mich in Interviews völlig verständlich zu machen, und deshalb habe ich das Gefühl, dem Teil der Öffentlichkeit, den es interessiert, der der Band viel Liebe entgegenbrachte und der sie unterstützte, eine Schilderung meiner Beweggründe zu schulden. Ich bitte sie deshalb diese Erklärung zu drucken, aber nur entweder ganz oder gar nicht.

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