Broadway Melody Of 1974 (Teil II) |
Der Widerhall der Broadway-Everglades (5)
Mit ihren geheimnisvollen Madonnen, die immer noch in ihren Schatten umherwandern.
Lenny Bruce (6) verkündet einen Waffenstillstand (6a) und sinnt nach anderen Wegen.
Marshall McLuhan (7) , beiläufige Betrachtung, den Kopf im Sand begraben.
Sirenen heulen auf den Dächern, obwohl keine Schiffe segeln. (8)
Groucho (9) , sich mit seinen Filmen dahinschleppend, steht ganz alleine mit seinen misslungenen Pointen.
Der Ku-Klux-Klan serviert heißes Seelenfutter (10) und die Combo spielt „In The Mood" (11)
Die Cherleaderin schwingt ihren Zyanid (12) -Zauberstab, man riecht den Duft von Pfirsichblüten und Bittermandeln.
Caryl Chessman (13) schnuppert die Luft und führt die Parade an, er weiß, dass ihr in einem Duft alles getane einfangen könnt. (14)
Da ist Howard Hughes (15) in "Blue Suede Shoes" (11) , lächelt die Majoretten an und raucht Winston-Zigaretten.
Und als das Lied und der Tanz beginnen, spielen die Kinder zu Hause mit Nadeln; „Needles And Pins" (11) (11a) .
Dann - totale Finsternis.
Anmerkungen: Bei den Everglades handelt es sich um ein Sumpfgebiet in Florida. Dieser Begriff wird hier als Wortspiel eingesetzt zum Kontrast auf den Ausdruck Evergreens, die am Broadway reichlich produziert wurden. 1974 waren damit im allgemeinen amerikanische Stücke der 30er bis 50er Jahre gemeint. Es muss an dieser Stelle allerdings erwähnt werden, dass das Wort Evergreen einen Scheinanglezismus darstellt. Das heißt in der englischen Sprache ist dieser Begriff im musischen Bereich gar nicht geläufig. Also, doch nur ein Zufall? (6) Lenny Bruce YouTube: The Truth (20 sek., engl.) ; Mixed Marriages (30 sek.; engl.) Auszug aus Wikipedia: Lenny Bruce (geboren als Leonard Alfred Schneider, * 1925: † 1966) war ein umstrittener US-amerikanischer Stand-up-comedian und Satiriker. Bruce trug maßgeblich dazu bei, Stand-Up-Comedy von einer Form des bloßen Witzeerzählens zur intelligenten und zeitbezogenen Unterhaltung zu verändern. Bruces Repertoire enthielt Nummern über Politik, Religion, Recht, Rassen, Abtreibung, den Ku-Klux-Klan, die katholische Kirche, die sozialen Effekte der Automatisierung sowie eine große Anzahl von Witzen unter der Gürtellinie. Auf das letztere angesprochen antwortete er oft: Wenn Sie etwas am menschlichen Körper anekelt, beschweren Sie sich beim Hersteller! Bruce, der unter anderem mit Frank Zappa auftrat, war zu beginn der 60er recht erfolgreich und galt als Geheimtip. 1961 markiete den Höhepunkt seiner Karriere. bekam im Verlauf seiner Karriere wiederholt Probleme mit Polizei und Justiz. Seit 1962 durfte er nicht mehr in Australien auftreten, im selben Jahr wurde er in San Francisco wegen Obszönität angeklagt, aber freigesprochen. 1964 wurde er in New York zu einer Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt, in einem späteren Verfahren aber erneut freigesprochen. Seit 1966 hatte er fast überall in den USA Auftrittsverbot. In seinen späten Auftritten nehmen die Themen Polizei, Obszönität und das Recht auf freie Rede einen breiten Raum ein. Der für seine Heroinsucht bekannte Bruce wurde im August 1966 mit einer Nadel im Arm in seinem Haus in Hollywood Hills tot aufgefunden. Musiker wie Bob Dylan, John Lennon, Nico, R.E.M., Chumbawamba und Nuclear Valdez ließen sich von ihm zu Songs inspirieren.
Lenny Bruce declares a truce and plays his other hand. Lenny Bruce verkündet einen Waffenstillstand und sinnt nach anderen Wegen. Das Wort "truce" = Waffenstillstand kann auch durch das phonetisch gleichlautende Wort „truth" = Wahrheit ersetzt werden. Das Wort Waffenstillstand paßt eigentlich so gar nicht zu Bruce. Es ist vielleicht eine Anspielung auf seinen frühen und tragischen Tod. 1966 sang Paul Simon: "I learned the truth from Lenny Bruce" in einem ähnlich aufgebauten Song wie Broadway-Melody: LP:Parsley, Sage, Rosemary and Thyme, Song: A Simple Desultory Philippic (Or How I Was Robert MacNamara'd Into Submission), 1966; Text/lyrics (7) Marshall McLuhan Kurze Darstellung McLuhans Gedankenwelt (aus einer Seminarbegleitung FH Aachen 2001) Wochenzeitung Freitag: Das Medium ist die Botschaft, 2001 Auszug aus Wikipedia: Herbert Marshall McLuhan (*1911; † 1980) war ein Kommunikations- und Literaturwissenschaftler, Medientheoretiker, Medienkritiker und Publizist.
The medium is the message Der Medientheoretiker McLuhan ist mit seiner These "The medium is the message" populär geworden. Für ihn liegt das Wesentliche des Mediums in seiner Form und nicht in dem vom Medium übermittelten Inhalt. Nicht die aus dem Inhalt zu entschlüsselnde Botschaft ist für eine Medientheorie relevant, sondern die aus dem Medium heraus entstehende Wirkung. Der Inhalt eines Mediums ist wiederum ein zeitlich hervorgehendes Medium. McLuhan betrachtet Veränderungen von Medientechnologien als wesentliche Ursache für soziale Veränderungen und räumt Medien somit eine enorme Macht gegenüber dem Menschen ein. Für ihn sind Medientechnologien Ausweitungen des menschlichen Körpers, die das menschliche Handeln optimieren bzw. ersetzen. Für McLuhan ist die Botschaft des Buchs also nicht, was es dem Leser inhaltlich vermittelt, sondern welche Auswirkungen es auf Individuum und Gesellschaft hat. Insofern verwendet er den Begriff „Botschaft" gleichbedeutend mit „Wirkung". (Ende.)
McLuham sah bereits in den 60er Jahren die rasante Entwicklung der modernen Medien voraus und formte den Begriff des „Global village". Er stand dieser Entwicklung gleichermaßen hoffnungsvoll als auch skeptisch gegenüber. Er kritisierte in den 50er Jahren die uneingeschränkt starke Kommerzialisierung der Medien, die er als Ausbeutung der menschlichen Träume definiert und sah in der Jugendkultur der 60er Jahre eine Reaktion darauf. Der Aufbau, die mythische Form mit ihren unzähligen Methaphern, in der die Songtexte von "The Lamb" durchgehend verfasst sind, spiegeln den generell starken, wie auch in anderen Bereichen sichtbaren Einfluss (z.B. Performance auf der Bühne) McLuhans auf Peter Gabriel wieder. Mehr noch, Gabriels Fähigkeit mittels bzw. in der Verbindung von Lyrik, Musik und ggf. Performance intensive Atmosphären zu schaffen, entspicht der Auffassung McLuhans, dass Information überlagernd (in mehrschichtigen Zusammenhängen) unter Einbeziehung möglichtst vieler Sinne vermittelt werden muss, so dass sie nicht nur intellektuell sondern vor allem auch emotional aufgenommen werden kann. Information muss erfahrbar gemacht werden, um wirklich in das Bewusstsein zu dringen und Wissen (im Sinne von Erkenntnis) zu bilden. Er nennt dies eine kubische (bekannt von Picasso aus der Malerei) im Gegensatz zu einer linearen Darstellung. Die kubische Darstellung gleicht einem Mosaik, in dem ein Gegenstand/Sachverhalt nicht aus einem speziellen Standpunkt heraus (einer Perspektive) oder einer Linie folgend, sondern von allen möglichen Standpunkten (multiplen Perspektiven) gleichzeitig aus betrachet werden kann. Wahrend die lineare Darstellung Zusammenhänge verbirgt oder sogar eleminiert, können in dem komplexen Gebilde des Mosaiks alle Einzelteile in unendlich variirenden Mustern zueinander in Beziehung gesetzt werden. McLuhan folgend handelt es sich bei der „Lamb" also nicht um eine Präsentation in Form einer erklärenden (linearen) Erzählung sondern um eine multiperspektivische Darstellung, die für Komplexität und Verdichtung der Texte sorgt. Der Rezipient (Leser oder Höhrer) wird mit einbezogen und kommt nicht umhin, die Zusammenhänge des Mosaiks zu erforschen und den hinter den Worten verborgenen Kosmos mit seinen ungeahnten Tiefen für sich selbst zu entdecken. Ausserdem sind die Texte sowohl autobiografisch als auch stellenweise hoch sensibel in ihrer Thematik. Von daher bietet die besondere Verpackung einen gewissen Schutz vor allzu negativen Reaktionen. Im Großen und Ganzen ist Gabriel später bei dem hier entwickelten Textstiel in einer einfacheren, klareren Form geblieben. Von McLuhans Ideen inspiriert sprengte er schrittweise seine musikalischen Grenzen, indem er die Musik mit fremden Kulturen, neuen Techniken und Medien, mit anderen Kunstformen sowie mit klaren gesellschaftlichen Zielen verband bis hin zum aktuellen „Big Blue Ball" -Projekt (2008). Er ist dadurch über die Grenzen der Rock- und Popmusik hinaus zu einem vielschichtigen Künstler heran gereift für den die Musik inzwischen nur noch einen, wenn auch tragenden Teil seines Ausdrucksspektrums darstellt, das eng mit seinem persönlichen Engagement verbunden ist, für das er auch seine Popularität zu nutzen weiss.
(8) Sirenen Eine Sirene ist in der griechischen Mythologie ein weibliches Fabelwesen (Mischwesen aus ursprünglich Frau und Vogel, später auch Frau und Fisch), das durch seinen betörenden Gesang die vorbeifahrenden Schiffer anlockt, um sie zu töten. (Ende.) Am Broadway dürften es die Sirenen auf den Dächern der Polizeiwagen sein, die einem den Nerv töten. Oder: die Werbeflächen an den Fassaden der Gebäude am Broadway haben den Gesang der Sirenen übernommen. McLuhan schreibt: Ständig darum bemüht, auf irgendeine Art Ereignisse auf der inneren, unsichtbaren Bühne des kollektiven Traums zu beobachten, vorweg zu nehmen und zu kontrollieren, verwandeln sich die Werbeagenturen und Hollywood unwissentlich in einen kollektiven Romanschriftsteller, dessen Charaktere, Symbole und Situationen eine intime Offenbarung der Leidenschaften dieses Zeitalters sind. Aber dieser gewaltige Kollektivroman kann nur von jemand gelesen werden, der darin geübt ist, seine Augen und Ohren zu benutzen, und Abstand gewinnt zum Rumoren seiner Eingeweide, das von dieser Sensationskost gerne erzeugt wird. Der Leser muss ein zweiter Odysseus sein, um dem Ansturm der Sirenen zu widerstehen. Oder, um das Bild zu variieren, dem unkritischen Leser dieses Kollektivromans geht es wie jenem Menschen, der ohne den Spiegel bewußter Reflexion direkt in das Gesicht der Medusa blickte. Er läuft Gefahr, zu einem hilflosen Roboter zu erstarren. Angesichts unseres gegenwärtigen maschinisierten Traums kann niemand ohne den Spiegel des Bewusstseins ein menschenwürdiges Leben führen. (Vergleiche: "The Grand Parade Of Lifeless Packaging") Aus: Die mechanische Braut; Kapitel: Fließband der Liebes-Göttinen (1951) gemeint ist hier Groucho Marx (1890-1977) von den Marx-Brothers "Mirror scene" (3 Min.)
(10) Seelenfutter Soulfood bezeichnet neben afroamerikanischen Gerichten auch afroamerikanisch geprägte Musik. Es ist kein Geheimnis, dass die Impulse dieser Musik stehts einen unmittelbaren Einfluß auf die gesamtamerikanische Kultur ausübten, aber die gesellschaftliche Ordnung bis hin zur Rassentrennung lange Zeit davon nicht berührt wurde. Swing (Musikrichtung) / Wirkung (11) -In The Mood (in Stimmung; veraltet: guten Mutes)Ein Jazz-Stück Ende der 20er Jahre, das in einer Swing-Form, gespielt vom Glenn Miller Orchestra 1940 zum „Hit" wurde und bis Heute exemplarisch für den Swing steht.
Version 1955 (Rockabilly-Version) :Version 1956 (Rock 'N´Roll-Version) :Ein Song von Carl Perkins aus dem Jahr 1955. Einer umstrittenen Ansicht zufolge soll dies der erste Rock 'n´ Roll-Song gewesen sein (aufgrund seiner gleichzeitigen No.1-Platzierungen in verschiedenen Genre-Charts).
- Needles and Pins (Näh- und Stecknadeln), Text/ Lyrics The Searchers: "Needles And Pins" :Eine der erfolgreichsten Kompositionen des britischen Mersey-Beats von 1963, bekannt in den Versionen von The Searchers (1964) und Smokie (1977!)
Die drei Songs, chronologisch aufgeführt bilden eine Sequenz. Sie sind bezeichnende Werke in der Entwicklung der westlichen Jugendkultur des 20. Jahrhunderts, die Ende der 60er Jahre ihren Höhepunkt fand und einen wesentlichen Einfluß auf die westlichen Gesellschaften der 60er und 70er hatte. Eingebettet im Titel Broadway Melody of 1974 bilden sie einen Kontrast zur vormals vorherrschenden amerikanischen Unterhaltungsindustrie. Gleichzeitig wird der Siegeszug der englischen Popmusik berührt, der im Liverpooler Mersey-Beat seinen Ursprung fand. Eine Weiterführung der Sequenz kann in den später erwähnten Titeln „It won´t be long" (in Anyway, Anm. 29), 1963, Beatles und abschließend in It´s only Rock 'n´ Roll (in It, Anm. 37), 1974, Rolling Stones gesehen werden und so als ein Bekenntnis der Zugehörigkeit zur britischen Pop- und Rockkultur erweitert werden. Allgemein werden die Anfänge der westlichen Jugendkultur des 20. Jhd., die sich zunemend verselbstständigte, im Aufkommen des Rock 'n´ Rolls gesehen, aber bereits der Swing führte zu Bildung eines autonomen Selbstbewusstseins unter Jugendlichen, jedoch wurde dieser noch nicht als "Massenkultur" wahrgenommen und hatte praktisch noch keinen Einfluss auf die gesamtgesellschaftliche Entwicklung. Dass dies sich im Laufe der 50er Jahre ändert, ist eng verknüpft mit der rasanten Weiterentwicklung der Elektrotechnik, der Medien als auch deren Kommerziallisierung, die eine verstärkende Wirkung hat. Exkurs: (11a) „Needles and Pins": englischer Kinderreim, von dem man glaubt, dass er im Zusammenhang mit King Henry VIII entstanden ist, der vor allem durch seinen „Verschleiß" an Frauen berühmt wurde (es waren sechs, von denen er zwei köpfen ließ):
Needles and pins (12) Zyanid ist eine chemische Verbindung, die in Form von Gas, eingeatmet, dazu führt, dass die Sauerstoffaufnahme des Körpers blockiert wird. Das Zyanid soll einen Geruch von Bittermandel haben. In den Staaten wird es seit den 20er Jahren des 20. Jhdts. zur Vollstreckung von Todesurteilen verwendet. Das ebenfalls in den 20ern in Deutschland patentierte Insektenvernichtungsmittel Zyklon ist mit Zyanid identisch.
(13) Caryl Chessman TIME-Magazin vom 21.03.1960; Cover & Titelstory Caryl Chessman Auszug aus Wikipedia: Carol
Whittier „Caryl" Chessman (*1921; † 1960) war ein wegen Raub und
Vergewaltigung zum Tode verurteilter US-Amerikaner, der vor allem wegen
seines zwölfjährigen Aufenthalts in der Todeszelle 2455 des
kalifornischen San-Quentin-Gefängnisses bekannt wurde. Der Rotlicht-Bandit Prozess (14) he (Caryl Chessman) knows in a scent you can bottle all you made. ...er weiß, dass du/ihr in einem Duft alles getane einfangen kannst/könnt. Auszug aus Wikipedia: Olfaktorische Wahrnehmung (Geruchssinn) Meistens
spielen persönlichen Erfahrungen, die wir an einem bestimmten Ort mit
dem Geruch gemacht haben oder Ereignisse, die wir mit dem Geruch
assoziieren, eine Rolle. ...
Verbreitet erkanntes Wortspiel: in a scent = in einem Duft, innocent = unschuldig Meiner Meinung nach bezieht sich dies aber nicht auf Chessman... ..er weiß, dass du unschuldig, alles was du getan hast, abfüllen (verdrängen, verstecken) kannst. Persönlich halte ich diese Absicht für unwahrscheinlich. Dieser Satz enthält ein Paradoxon und umgedeutet in ... für unschuldig gehalten... führt er zu einem Urteil. ...sondern in einer ironischen Weise auf die Gesellschaft, die per Definition, laut Gesetz unschuldig ist: ...er weiß, dass ihr unschuldig/ in einem Duft, alles was (den Geist, den) ihr hervorgebracht habt, wieder in die Flasche zwingen könnt. (15) Howard Hughes Howard Hughes wurde 1905 als Sohn eines Ölbarons und einer reichen Erbin geboren. Seine Eltern verstarben jedoch beide vor seinem 20. Lebensjahr. Er übenahm die Firma seines Vaters und ließ sie von einem Geschäftsmann leiten. Anfang der 30er Jahre begann er sich für den Film und die Fliegerei zu interessieren. Er drehte mehrere, zum Teil erfolgreiche Filme und brach etliche Flugrekorde. Im Auftrag der Regierung baute er ein Wasserflugzeug mit der bis Heute größten Spannweite der Welt, dass jedoch nie zum Einsatz kam. 1946 erlitt er bei einem Absturz schwere Verletzungen, von denen der sich nie richtig erholte. Ab Mitte der 50ger Jahre zeigten sich immer deutlicher krankhafte Persönlichkeitsveränderungen. Er starb 1976 wärend eines Fluges in schlechter körperlicher und seelischer Verfassung. |
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Music: Genesis; Lyrics; Liner Notes: Peter Gabriel
Deutsche Übersetzung:
Songtexte: Ute Kretzschmar; Begleittext: Petra Gehrmann