In The Cage

 

Anmerkungen 16-37 öffnen   

Textsequenz Help/ Runaway/ Raindrops öffnen

Beschreibt die innere Trennung von seinem bisherigen Leben. Der Kampf darum, es wirklich hinter sich zu lassen, alle Fäden zu kappen. Die Last beginnt ihn wieder zu erdrücken, fordert die Entscheidung. Zunächst besinnt er sich auf die Rückkehr in die Gesellschaft:

If I keep my self-control,         
I'll be safe in my soul. (1)
And the childhood belief
Brings a moment's relief,
But my cynic soon returns
And the lifeboat burns.(2)
My spirit just never learns.
Stalactites, stalagmites (3)
Shut me in, lock me tight.
Lips are dry, throat is dry.
Feel like burning, stomach churning,
I'm dressed up in a white costume
Padding out leftover room. (4)
Body stretching, feel the wretching (5)
In the cage
Get me out of the cage!

Wenn ich die Selbstbeherrschung bewahre,
werde ich mich beruhigen können.
Und die Weisheiten der Kindheit
bringen für einen Moment Erleichterung.
Aber schnell kehrt mein Zynismus zurück,
steckt mein Rettungsboot in Brand.
Mein Geist wird es einfach nie lernen!
Stalagmiten, Stalaktiten
Kreisen mich ein, sperren mich ein.
Die Lippen rau, die Kehle trocken.
Fühle mich als würd´ ich brennen, mein Magen dreht sich um.
Gehüllt in eine weiße Tracht, die den verbleibenden Platz ausfüllt.
Mein Körper streckt sich, ich fühle mich schrecklich.
In dem Käfig.
Ich will raus aus dem Käfig!

 

 

(1)Die Selbstkontrolle, die Anpassung, etwas dass man versucht hat, ihm in seiner Kindheit zu vermitteln, ist der Schlüssel zur Zähmung des unruhigen Geistes.

(2)Sofort lehnt sich dieser gegen diesen Gedanken auf und zieht sich zurück.
„Burn your boats" ist eine Redewendung, die in: „Die Brücken hinter sich abbrechen" eine deutsche Entsprechung findet und auf die hier angespielt wird.

(3)Stalagmiten (stehende -) und Stalaktiten (hängende Tropfsteine) „wachsen" sehr langsam über tausende von Jahren hinweg, indem der enthaltene Kalk von tropfendem Wasser ausgefällt (kristallisiert) wird. In „In the Cage" sind damit die gesellschaftlichen Strukturen versinnbildlicht, die sich in den letzten 40-Tausend Jahren gebildet haben.

(4)Für Rael/ Gabriel scheint der verbleibende Platz im Käfig der althergebrachten Strukturen durch weitere Einschränkungen (Farbe weiß/ z.B. Moralvorstellungen) besetzt zu sein, so dass ihm subjektiv gar kein Platz mehr bleibt.

(5)In dem Begriff „wretching" (würgen, retching: Würgreflex) steckt der Stamm „wretch" (der Schurke, Bösewicht), der altertümlich „der Ausgestoßene" bedeutet (was ja auch was mit dem Würgen zu tun hat, weil ihm in der Regel ein Ausstoß folgt). Eine altbackene Zweideutigkeit, die diesem Begriff hier inne liegt und erahnen läßt in welchen klaren Zusammenhängen sich die „einfache" Welt unseren „unwissenden" Vorfahren noch darbot. Hier ist also das körperliche Unwohlgefühl (das Würgen) mit der anderen Seite der Medallie, des Würgegriffs, recht einfach in Verbindung zu bringen. Der eigentliche Ursprung liegt im Althochdeutschen Wort recho (Westgermanisch: wrakjo) = Abenteurer, das sich über wrecca = Ausgestoßener bis zum wretch = Bösewicht wandelte und somit auch den Niederschlag gesellschaftlichen Wandels in der Sprache dokumentiert. Der Abenteurer, der unruhige Geist (I like to see some action; BINYC) bleibt im Beton der Gesellschaft hängen (dressed up in a white costume oder auch „clay of Broadway" im Begleittext zu BMO1974) und verwandelt sich dort in den Bösewicht.

Rael sieht diese Gesellschaft nun recht klar in einem Gewebe aus Abhängigkeiten, die wenig Spielraum selbst für die Angepassten läßt. (Im engeren Rahmen läßt sich das auch auf die Situation von Genesis übertragen, auf die ein wachsender Anpassungsdruck wirkt, was Peter Gabriel auch in seinem Abschiedsbrief an die Presse aufgreift.) 

                                     

In the glare of a light,
I see a strange kind of sight;
Of cages joined to form a star
Each person can't go very far;
All tied to their things
They're netted by their strings,
Free to flutter in memories of their wasted wings.

Angestrahlt von grellem Licht,
bietet sich mir ein seltsamer Anblick
von sternförmig zusammen gruppierten Käfigen.
Jene darin haben keinen Bewegungsspielraum,
sie sind an ihre Pflichten gebunden,
eingeflochten im Gewebe,
frei, um in den Erinnerungen ihrer nutzlosen Flügel umher zu flattern.

 

„Cages joined to form a star" (die Form des Sterns) ist ein Fingerzeig auf die U.S.-amerikanische Gesellschaft. „Free to flutter in memories of their wastet wings" spielt auf den stark betonten Freiheitsbegriff der Amerikaner an, der hier als längst überholt „verunglimpft" wird.

Damit abgeschlossen taucht als Alternative der abgespaltene John wieder auf, als „freies Radikal" ausserhalb des Geflechts. Aber dieser John ist eine Illusion, heraufbeschworen durch den Zweifel, dem Gedanken, dies nicht wirklich tun zu müssen oder zu können, der letzte Faden, an dem sich Rael in seiner Verzweiflung klammert. Aber die Verbindung zu John ist abgeschnitten, es ist keine Kommunikation mehr möglich.

Outside the cage I see my Brother John,       
He turns his head so slowly round.                
I cry out Help! before he can be gone,
And he looks at me without a sound.
And I shout out 'John please help me!'
But he does not even want to try to speak.
I'm helpless in my violent rage
And a silent tear of blood dribbles down his cheek,
And I watch him turn away and leave the cage.
My little runaway.

Außerhalb des Käfigs sehe ich meinen Bruder John.
Er dreht seinen Kopf so langsam zu mir! Ich rufe schnell: „Hilfe!" (16) bevor er gehen kann.
Und er sieht mich an, ohne einen Ton von sich zu geben.
Ich brülle: John, komm schon, hilf mir!".
Aber er versucht nicht mal, zu sprechen.
Ich bin hilflos in meiner rasenden Wut.
Und eine einzelne Träne von Blut rinnt an seiner Wange herab.
Und ich beobachte, wie er sich umdreht und den Käfig verlässt.
Mein kleiner Ausreißer! 

Runaway bedeutet auch: Flucht.

John kehrt nicht zu ihm zurück, es gibt jetzt nur noch eine Richtung. Als John verschwindet, öffnet sich ein neuer Weg.

In „In The Cage" wird Rael das erste Mal mit den Widerständen konfrontiert, die er in seinem Inneren aufgebaut hat und die den Pfad zu seinem eigenen Selbst versperren. Er befindet sich in einer grotesken Situation. Nachdem John abgespalten wurde, findet er nichts, was diesen ersetzen könnte. Dieses Nichts erzeugt ein Vakuum, einen Sog, der ihn zu erdrücken droht.

Da es keinen Weg zurück gibt, wird er dazu getrieben, die inneren Widerstände, die in ihm Panik bis hin zur Todesangst auslösen, zu durchbrechen. Der erste Schritt hierzu ist, John endgültig ziehen bzw. fallen zu lassen und so gelangt er schließlich in die Halle der...

Grand Parade Of Lifeless Packaging

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